[7] Verstreutes und Unübersetztes. Die russischen Werkausgaben

 

Obwohl praktisch alle wichtigsten Arbeiten der Strugatzkis deutsch vorliegen, ist die Zahl der nicht übersetzten Texte relativ hoch; dazu gehören mehrere von Arkadi Strugatzki allein verfasste Werke, insbesondere das SF-Kinderbuch »Expedition in die Hölle« (zuerst unter »S. Jaroslawzew« in zwei Teilen 1974 und 1984 in einer Zeitschrift veröffentlicht). Allein seiner Feder entstammen auch der realistische Roman »Die Asche von Bikini« (1956), dessen nomineller Koautor L. Petrow (ein Armeekamerad Arkadis, aber zugleich Schwiegersohn Chruschtschows) nur an der Konzeption mitgewirkt hat, und der SF-Roman »Eine andere Welt« (1961), der unter dem Namen von G. Grebnew erschien, aber de facto nach ein paar Ideenskizzen dieses Autors vom Verlagslektor Strugatzki als Ghostwriter verfasst wurde.

Den Löwenanteil des nicht ins Deutsche Übersetzten bilden indes die dramatischen Werke − Theaterstücke und Filmszenarien, die meist nach Romanen und Novellen entstanden, mitunter aber auch vor ihnen, wie etwa bei Der Junge aus der Hölle, und die von den Prosafassungen manchmal weit genug abweichen, um als völlig eigenständige Werke gelten zu können. Übersetzt ist davon nur − unter verschiedenen deutschen Titeln − »Die Wunschmaschine«, eins der Szenarien für Tarkowskis Stalker. In Deutschland aufgeführt, aber nicht als Text publiziert wurde das Theaterstück »›Juden der Stadt Petersburg!‹, oder Unfrohe Gespräche bei Kerzenschein« (1990), das die Reaktionen angepasster Sowjetbürger auslotet, als diese in ihrer Eigenschaft als Reiche, Juden, Politikaster, Wüstlinge, Parasiten etc. aufgefordert werden, sich zwecks Deportation an einem bestimmten Ort einzufinden.

Ein Großteil der Szenarien ist, obwohl deutlich älteren Datums, erst um 1990 veröffentlicht worden. Teils um dieselbe Zeit, teils erst 2001 ist eine beachtliche Zahl früher Texte zum Vorschein gekommen, die die Strugatzkis einzeln oder gemeinsam verfasst, aber als für die weitere Arbeit unergiebig verworfen hatten. Es handelt sich dabei um abgeschlossene Erzählungen wie Arkadi Strugatzkis ältestes erhaltenes SF-Werk »Wie Kang starb« (von einem quasi unsterblichen Urzeitmonster, geschrieben 1946) oder die Erzählung »Sandfieber«, die stilistisch aus dem sowjetischen SF-Kontext jener Zeit völlig herausfallende erste Gemeinschaftsarbeit der Autoren (verfasst um 1955), aber auch um Vorarbeiten, stark abweichende erste Fassungen und nicht verwendete Kapitel zu veröffentlichten Romanen. Erst vor kurzem ist das Szenarium »Die Hexe« wieder aufgetaucht und veröffentlicht worden, das Arkadi Strugatzki für Tarkowski verfasst, jener in seinen Memoiren auch erwähnt, aber vorgeblich nicht benutzt hatte. Es ist jedoch offensichtlich, dass die Fabel dieses Szenariums Tarkowskis Film »Das Opfer« zugrunde liegt.

Der überwiegende Teil dieser Texte ist heute nur noch von werkgeschichtlichem Interesse und verdankt seine Veröffentlichung der Existenz mehrerer russischer Strugatzki-Werkausgaben, die miteinander um die größtmögliche Vollständigkeit wetteifern; es gibt inzwischen auch eine vierbändige Ausgabe »Die unbekannten Strugatzkis«, die ausschließlich Textvarianten enthält und in der vor allem die ursprünglichen Manuskriptpassagen interessant sind, die unter dem Druck der Zensur für die Veröffentlichung erheblich abgeändert werden mussten. Die Intensität dieser quasi akademisch-literaturwissenschaftlichen Aufarbeitung in Büchern, die nicht die Auflagenhöhen der Romane erreichen, aber durchaus an ein allgemeines Publikum adressiert sind und auch in derselben Buchreihe des russischen SF-Marktführers »AST« erscheinen, ist ein Indiz für die außerordentlich hohe Wertschätzung, die das Œuvre der Strugatzkis in ihrer Heimat nach wie vor genießt.

© 2010 by Erik Simon




Und hier geht er zur großen Werkausgabe der Brüder Strugatzki!