Todestag

 

Eichborn Verlag | 2000

 

»Stellen Sie sich vor: Der Bundeskanzler wurde erschossen! Vier Kugeln, abgefeuert von einem unbescholtenen Bürger dieses Landes. Kein Mitglied einer radikalen politischen Gruppierung, kein Geistesgestörter, keiner, dem Sie auf der Strasse aus dem Weg gehen würden! Ein junger intelligenter Mann, der sich widerstandslos festnehmen lässt und in seinem Verhör mit der politischen Realität der letzten 20 Jahre abrechnet.

Schwer vorstellbar. Und keine Sorge, hier geht es um ein Buch. Aber was für die gesellschaftliche und politische Realität in diesem Land gilt, gilt vor allem für den Themenmarkt deutscher Literatur. Denn mit der Literarisierung der Realpolitik, vor allem mit einer Überführung in die Hypothese, tun sich deutsche Autoren schwer.

Allerdings hat der 33-jährige Berliner Autor Tobias O. Meißner in seinem ersten Roman Starfish Rules (1997) bewiesen, dass er mit den Themen Macht und Gewalt meisterlich umgehen kann. Im Mittelpunkt seines jüngsten Buches steht nun ein emotional zurechnungsfähiger, kühl kalkulierender Kanzlermörder, der mit seinem Attentat den ›Todesstag der deutschen Pseudodemokratie‹ ausrufen will. Sein Name: Kain Zwaifel, kein Künstlername, obwohl er (erfolgloser) Schriftsteller ist, sondern sein ›Kriegername‹. Zwaifel prophezeit einen nahen Bürgerkrieg, in dem sich das um sein Bewusstsein ›beschissene‹ Volk an den Verantwortlichen rächen wird.

Die Gründe für den Kanzlermord erklärt Zwaifel im Dialog mit seinen Verhörern. Diese lässt Meißner die moralischen, rechtsstaatlichen und psychologischen Vorbehalte formulieren, die einen beim Lesen dieses ›Verhörromans‹ gegen den Täter selbst einnehmen. Die Lektüre wird so zu einer ungemein spannenden Auseinandersetzung mit der möglichen Haltung eines anderen, letzten Endes aber auch mit dem ganz persönlichen, ganz realen eigenen Standpunkt in unserer Gesellschaft. Todestag ist ein bemerkenswertes, ein ungeheuer mutiges Buch, eines, dem man viel Aufmerksamkeit wünscht.« [Nikolaus Stemmer, Amazon.de]