Neben diesen Romanen, die zur »ernsthaften« SF gehören oder ihr zumindest nahestehen, bilden die Satiren und Grotesken einen weiteren Strang im Schaffen der Strugatzkis. In Russland außerordentlich beliebt ist Der Montag fängt am Samstag an (1965, in einer früheren und wesentlich schlechteren Übersetzung Montag beginnt am Samstag), ein Zyklus von drei Novellen, die in einem Institut spielen, wo Zauberei und Magie mit wissenschaftlichen Methoden erforscht und auch betrieben werden. Der Roman lebt von der Verquickung typischer Märchenmotive mit der Begriffswelt moderner Wissenschaft und dem typischen Forschungsbetrieb. Nach dem einfach nur komischen ersten Teil enthält der zweite eine parodistische Reise des Helden in die Welten der sowjetischen und westlichen SF sowie eine Satire auf Scharlatanerie und plump materialistische Vorstellungen von Fortschritt und Wohlstand; der dritte präsentiert ein SF-Rätsel um einen Mann, der diskontinuierlich rückwärts in der Zeit lebt.
Eine Fortsetzung zu diesem Roman − und in der deutschen Ausgabe Der Montag fängt am Samstag an als vierter Teil in ihn integriert − ist Das Märchen von der Troika. Einige der Helden aus den vorangegangenen Teilen werden dort in eine Außenstelle des Zauberinstituts geschickt, wo eine demagogisch gefärbte Bürokratie herrscht, die in ihren Auswüchsen ebenso grotesk wie entsetzlich ist. Der Text ist wesentlich düsterer, die Satire schärfer als im Montag; es gibt Anklänge an die Verwaltungs-Kapitel von Die Schnecke am Hang, doch sind spezifisch sowjetische Zustände und Ideologeme hier deutlicher zu erkennen − beispielsweise erinnert die »Troika« gleichermaßen an die Besetzung der sowjetischen Standgerichte wie an das Triumvirat, das in der frühen Breschnew-Ära die Geschicke der UdSSR lenkte. Von der Novelle existieren zwei Versionen, die sich so gravierend voneinander unterscheiden, dass in den russischen Strugatzki-Werkausgaben beide abgedruckt werden. Die ältere, aber erst 1987 publizierte Version ist (in der leicht abweichenden Subvariante eines Zeitschriftenabdrucks) die in Der Montag fängt am Samstag an integrierte; die Helden schlagen darin die Bürokraten mit deren eigenen Mitteln, werden ihnen dabei jedoch auch ähnlich. In der zweiten, aber schon 1968 in einer sibirischen Provinzzeitschrift gedruckten (und alsbald verbotenen) Fassung scheitern die Helden und werden erst durch das Auftauchen ihrer Chefs gerettet, die weitaus mächtigere Zauberer sind − ein plakativ angehängtes Happyend, das die Autoren auch ganz unverhohlen als solches ausstellen.
Die zweite Invasion der Marsmenschen (1968, deutsch auch Die zweite Invasion auf der Erde) zielt als Satire weniger auf konkrete sowjetische Verhältnisse als auf Konformismus, aber auch auf einen Widerstand, der nichts als Pose ist; die Handlung spielt in einem fiktiven Land, und die Protagonisten haben allesamt die Namen griechischer Götter. Der Titel nimmt Bezug auf Wells' Krieg der Welten; diesmal aber haben es die marsianischen Eroberer nicht auf das Blut, sondern nur auf den Magensaft der Menschen abgesehen, den diese per Magensonde auch brav abliefern.
Hotel »Zum Verunglückten Bergsteiger« (1970) hatte in der russischen Fassung den Untertitel »Ein weiteres Requiem auf das Krimigenre« und spielte damit auf Dürrenmatts Das Versprechen (1950) an, das der Schweizer Autor als »Requiem auf den Kriminalroman« bezeichnet hatte. (Insbesondere Boris Strugatzki war ein großer Liebhaber und Kenner der ausländischen Kriminalliteratur.) Das Hotel ist ein über weite Strecken nach den klassischen Regeln der Kunst, in blendendem Stil und mit hübschen Details erzählter Kriminalroman, weniger eine Krimi-Parodie als vielmehr eine Imitation nach allen Regeln der Kunst; es geht darin um Morde in einem vorübergehend von der Umwelt isolierten Hotel in den Bergen. Der Versuch, als Lösung des Kriminalrätsels ahnungslose Außerirdische mit ihren Robotern zu präsentieren, die von irdischen Kriminellen (in der zunächst veröffentlichten Fassung mussten die Autoren daraus »Faschisten« machen) missbraucht werden, ist dennoch misslungen, eben weil das klassische Krimigenre keine aus der Luft (aus dem Kosmos) gegriffenen Auflösungen verträgt.
© 2010 by Erik Simon
Strugatzki-Werkführer
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