Allgemeine deutsche Bibliothek
[10. Band, 1. Stück (1769)], Seite 266/267
Emilie, oder die belohnte Tugend in der Ge-
schichte der Fräulein von Melvile, aus dem
Englischen übersezt, 2 Theile. Nürnberg bey
Riegels Wittwe, 1768. 28 Bogen.
Wahre Carricatur, durch die ungeschikte Hand
des Uebersetzers noch mehr verzerret. Das ist
noch ein Glük daß schlechte Bücher, weil sie doch auch
übersezt werden, immer in solche Hände kommen, die
anstatt sie der Vergessenheit zu entreissen, nur an ih-
rem geschwinden Untergange arbeiten. Diese Über-
setzung ist in aller Absicht unerträglich, ohne die min-
beste Wahl des Ausdruks und vollkommen im Nürn-
berger Stadtdialekt. Zur Probe wollen wir einen ein-
zigen Perioden abschreiben, den ersten den besten.
Nachdem ihnen die Frau Green gewunken hatte, so
stund sie auf, die Frau Lightfame zu empfangen und
die boden Mesdemoiselles schryen aus Liebe: Frau
Lightsame, dieses ist ein großes Glük etc. Man darf
nicht glauben, daß die boden Mesdemoiselles ein
Drukfehler ist. Der Uebersetzer deklinirt beede, bode,
beyde, wie zween, zwo, zwey, anstatt gewünscht, sagt er
auch allezeit gewunschen. Ueberhaupt ist sein Reich-
thum an undeutschen Idiotismen ganz unerschöpflich.
| Sara Th** eine Erzählung für Leserinnen auf
dem Lande, aus dem Englischen. Hamburg,
1768.
Eine artige kleine Geschichte mit ökonomischen Ge-
mählden, die wir schon irgendwo in einer Samm-
lung gelesen und hier wieder abgedrukt ist.
Wl.
[Anm.: Die Originalausgabe des ersten Bandes ist 1756 unter dem Titel Emily or a history of a natural Daughter anonym erschienen. Vom selben Autor stemmen noch The Locket; or, The history of Mr. Singleton. A novel ... By the author of Emily; or The history of a natural daughter (1774) und Moral and critical reflections on several subjects (1758). Die Sara Th** wiederum wurde von Jean-François de Saint-Lambert (1716−1803) verfasst und ist im Original unter dem Titel Sara Th... extrait tiré de la Gazette de l'Europe du 15 août 1765 in ebendiesem Jahr erschienen; die Übersetzung stammt von Johann Joachim Christoph Bode (1731−1793).]
Allgemeine deutsche Bibliothek
[10. Band, 2. Stück (1769)], Seite 259-260
Zuverläßige Erzählung der sonderbaren Bege-
benheiten des Herzogs von Ripperda,aus einer
bisher nicht bekannt gewordenen französischen
Handschrift übersezt, und mit einigen zur Er-
läuterung dienenden Beylagen begleitet.
Drey Theile. Frankf. und Leipzig, 1765. zu-
sammen 28 Bogen.
Der Herzog von Ripperdä wird in der Geschichte
eben so, wie der Baron Theodor von Neuhof,
wohl immer ein seltsames Phänomenon bleiben, und
wer weis was beyde noch für Rollen in der idealischen
Welt der Romandichter spielen müssen. Die Lebens-
beschreibungen von beyden, davon die eine so wenig
als die andere authentisch ist, sind schon Grundlagen
zu künftigen Romanen. Der Verf. der angezeigten
hat einige bekannte Begebenheiten aus dem Leben des
Herzogs von R. in seinen Schrift eingeflochten und
den Mangel der übrigen mit allerhand Historien von
seiner Erfindung zu ersetzen gesucht. Der ganze erste
Theil enthält nichts als Schul- und Studentenstreiche,
Liebesbegebenheiten und witzige Einfälle, die dem Her-
zog beygelegt werden, die aber alle, und die poetischen
| vorzüglich, hätten wegbleiben können. Was die soge-
nannten Beylagen hier sollen, das wissen wir nicht,
sie bestehen aus ein paar Friedensschlüssen, wobey der
Herzog von R. ist gebraucht worden, und aus einigen
Schreiben des englischen Ministers Stanhope an den
spanischen Minister, worinnen sich der erste darüber
beschwert, daß man den Herzog aus der Wohnung
des englischen Abgesandten mit Gewalt hinweg ge-
nommen; diese leztern gehören noch einigermaßen hier-
her, aber die Friedensschlüsse erläutern in der Ge-
schichte des Herzogs v. R. nicht das geringste.
Wl.
[Anm.: Deutsche Ausgabe von La Vie du Duc de Ripperda (1739); als Autor zeichnet hier ein »P.M.B«, d.i. der französische Gelehrte Pierre Massuet (1698−1776).]
Textredaktion: Hannes Riffel